Der Begriff des Narzissten hat Hochkonjunktur. So werden selbstgefällige, anstrengende oder unbequeme Verhaltensweisen des Beziehungspartners im Alltag schnell als „narzisstisch“ beschrieben und verurteilt.
Dabei ist eines klar: Wenn Du wirklich mit einem Narzissten zusammen lebst, sind seine Verhaltensmuster in weiten Teilen eine große Herausforderung für Deine eigene psychische Stabilität.
In diesem Artikel gehen wir der narzisstischen Persönlichkeitsstörung auf den Grund. Außerdem erfährst Du, woran Du toxische Verhaltensweisen erkennst und was das mit Narzissmus zu tun hat.
Narzissten erkennen? Das sind die Merkmale!
Narzissmus kennt verschiedene Ausprägungen und reicht von “moderat ausgeprägten Persönlichkeitsmerkmalen” über narzisstische Persönlichkeitsakzentuierung bis hin zur pathologischen Persönlichkeitsstörung.
So kannst Du Dir dieses Phänomen mehr als Kontinuum, denn als festgelegte Störung vorstellen.
Nach diagnostischen Merkmalen gibt es die folgenden Kriterien für eine narzisstische Persönlichkeitsstörung (nach dem diagnostischen und statistischen Leitfaden psychischer Störungen):
- Grandioses Gefühl der eigenen Wichtigkeit
- Verlangen nach übermäßiger Bewunderung
- Selbstidealisierung
- Mangelnde Empathie
- Starke Fantasien von grenzenloser Macht, Erfolg, Glanz oder Schönheit eingenommen
- Glaube an eigene Einzigartigkeit und dass sie nur von außergewöhnlichen Personen oder Institutionen verstanden werden
- Offenes Anspruchsdenken: Sie erwarten, bevorzugt behandelt zu werden
- Häufig ausbeuterische Verhaltensweisen
Für eine Diagnose müssen mindestens fünf dieser Merkmale erfüllt sein.
Narzissten wirken häufig grenzenlos selbstbewusst. Gleichzeitig können sie sehr charmant sein. Das ist der Grund, warum es so leicht ist, sich ihnen hingezogen zu fühlen. Meist ist das eigene Selbstwertgefühl jedoch sehr fragil. Narzissten sind leicht kränkbar.
Die verschiedenen Typen des Narzissten
Es existieren zudem verschiedene Subtypen, die sich alle unterschiedlich äußern.
Der grandios-maligne offene Typ:
Das ist der “klassische” Narzisst, wie man ihn sich vorstellt. Egoistisch, extrovertiert, häufig arrogant rüberkommend. Er stellt sich gerne selbst dar und es fehlt ihm an Empathie. Zudem sind Wutausbrüche und aggressives Verhalten nicht selten.
Hoch funktionaler, exhibitionistischer Typ:
Der Name verrät es bereits. Dieser Typ ist oft sehr erfolgreich im Beruf. Er ist hochgradig anpassungsfähig und kennt wenig Leidensdruck. Doch bei Misserfolgen beruflicher oder privater Natur bricht die mangelhafte Selbstwertregulation hervor.
Vulnerabler, verdeckte Typus:
Dieser Typus des Narzissten zeichnet sich durch offene Selbstunsicherheit aus. Er ist bei Kritik schnell gekränkt. Diese Verhaltensmuster sind häufig gemeinsam mit Depressionen zu beobachten.
Weiterhin wirst Du bei deiner Recherche auf die Begrifflichkeiten wie weiblicher und männlicher Narzissmus stoßen. Diese Begriffe sind rein beschreibender Natur und haben keinen diagnostischen Wert.
Es lässt sich trotzdem feststellen, dass diagnostizierte Narzissten zu 75 % männlich sind.
Außerdem scheinen Männer häufig grandios-maligne und hoch funktionale-exhibitionistische Narzissten zu sein. Während Frauen eher zum vulnerablen, verdeckten Typus neigen.
Allerdings ist insbesondere der vulnerable Typ ist noch zu wenig erforscht, um generelle Aussagen zu weiblichen und männlichen Narzissmus zu treffen.
Wie viele Menschen sind betroffen?
Es sind etwa 0,4 % der Gesamtbevölkerung mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung diagnostiziert. Schätzungen zufolge könnten bis zu 6 % der Bevölkerung narzisstische Züge aufweisen.
In meiner Praxis kommt das Thema bei ca.50% der Beratungen zur Sprache- häufig bestätigt sich der Verdacht, der Partner /die Partnerin sei persönlichkeitsgestört, allerdings nicht. Häufig liegt dem Verdacht eher eine ungünstige Beziehungsdynamik zugrunde. Ist diese aufgearbeitet und gelöst, verschwinden die als narzisstisch wahrgenommenen Verhaltensweisen.
Rein statistisch gesehen ist die Wahrscheinlichkeit, dass dein Partner oder deine Partnerin ein pathologischer Narzisst ist oder Narzisstin, also relativ gering.
Trotzdem liest Du diesen Artikel, weil Du glaubst, mit einer toxischen Person zusammen zu sein, unabhängig davon, ob sie das Label Narzissmus trägt oder nicht.
Was sind toxische Menschen? Und sind das Narzissten?
Eins vorweg: Personen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung sind toxische Personen.
Aber toxische Personen müssen keine narzisstische Persönlichkeitsstörung haben.
Außerdem kannst Du Dich in einer toxischen Beziehung befinden, ohne dass dein Partner oder Du selbst als toxisch zu bezeichnen seid. Dazu unten mehr.
Was zeichnet nun eine toxische Person aus?
Eine toxische Person ist jemand, der gezielt den geringen Selbstwert des Partners ausnutzt, um Macht auszuüben und sich selbst aufzuwerten.
Toxisch auf Dich wirken kann auch eine Person, die in einer Beziehung mit Dir ganz andere Ziele oder emotionale Bedürfnisse hat.
Sätze, die deine Wertigkeit herabsetzen oder dir zeigen sollen, dass “Du immer alles falsch machst” oder “nichts kannst” sind deutliche Warnhinweise, dass Du mit einer toxischen Person zusammen bist.
Sie scheuen nicht davor zurück, Dich abzuwerten, um sich selbst besser zu fühlen oder ihre Ziele zu erreichen. Ein solches Verhalten nennt man emotionalen Missbrauch. Dies kann sich in Extremfällen so äußern, dass er oder sie mit Suizid droht, falls Du sie verlassen solltest.
Wenn diese Äußerungen mit fehlendem Unrechtsempfinden einhergehen, wird es sehr schwierig, diese Beziehung zu retten. Egal ob Narzisst oder nicht.
Was sind toxische Beziehungen?
Im Gegensatz zu einer Beziehung mit mindestens einer toxischen Person gibt es auch die toxische Beziehung ohne toxischer Person.
In diesem Fall sind beide Personen mit besten Absichten in die Beziehung gegangen. Die Beziehung lief ursprünglich blendend. Zwei gesunde Personen in einer Liebesbeziehung.
Aber Menschen ändern sich. Prioritäten ändern sich. Wünsche und Bedürfnisse ändern sich.
Und wenn diese von beiden Personen nicht mehr im Einklang zueinander stehen, dann beginnen beide zu leiden.
Und das ist der größte zu einer Beziehung mit einer toxischen Person. Dort leidet nur der Partner der toxischen Person. Sie sieht keine Schuld bei sich.
Während Du die Beziehung mit einer toxischen Person beenden solltest, gibt es in einer toxischen Beziehung, neben der Trennung noch die Möglichkeit, sie zu retten. Dafür müsst ihr klar benennen, was euch unglücklich macht und welche Veränderungen ihr wünscht.
Wenn beide Seiten wirklich Willens sind, sich und ihre Situation zu verändern, besteht Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft. Eine Paartherapie bietet dafür den perfekte Rahmen, um diesen schwierigen Prozess zu begleiten.
Erkenne Red Flags, um toxische Personen zu identifizieren
Erkennst Du eine der folgenden Verhaltensweisen bei dir oder deinem Partner oder Partnerin wieder? Die folgenden 5 Red Flags sollten Dich aufhorchen lassen. Denn sie sind starke Indizien dafür, dass Du eine Beziehung mit einer toxischen Person eingegangen bist.
Lovebombing:
Übersetzt: Mit Liebe und Aufmerksamkeit überschütten. Und zwar jeden Tag. Insbesondere zu Beginn von Beziehungen wird Dich der Narzisst auf Händen tragen.
Du erhältst Rosen zur Arbeit. Abends wirst Du zum Essen eingeladen und die Komplimente gehen runter wie Öl. Ihr sprecht schnell von Seelenverwandschaft, es scheint wirklich alles zusammenzupassen.
Natürlich ist es wunderbar, Aufmerksamkeiten und Zuneigung zu spüren. Jeder Beziehungsbeginn ist geprägt von Gesten der Liebe. Doch wenn Du das Gefühl hast, dass es schon fast zu schön ist, um wahr zu sein, sollte eine Alarmglocke hochgehen. Vor allem, wenn die Gesten weit über das Normalmaß hinausgeht.
Denn das Ziel des Lovebombings ist das Herstellen emotionaler Abhängigkeit. Der Lovebomber lässt ein emotionales Gefälle entstehen. Das Opfer bekommt immer mehr das Gefühl, etwas zurückgeben zu müssen.
Die Zuneigung dient dem Zweck, dass Du nach seinen Vorstellungen handelst. Solltest Du diesen nicht entsprechen, reagiert er mit Liebesentzug und Abwertung.
Future Faking:
Dieses Anzeichen einer toxischen Person bedeutet das ständige Manipulieren durch leere Versprechungen und Lügen.
Es werden dir genau die Dinge versprochen, die deine Wünsche und Bedürfnisse widerspiegeln. Die toxische Person nutzt die falschen Versprechen, um so die Beziehung aufrecht zuhalten.
Auch wenn dieses Verhalten oft aus Verlustängsten oder der Angst vor deiner Reaktion entsteht: Der Future Faker spielt dir eine Zukunft vor, die er nicht einzuhalten gedenkt. Das ist manipulativ und dementsprechend toxisch.
Oft erkennst Du Future Faking an Wenn-dann Sätzen: “Wenn ich dieses Projekt abgeschlossen habe, dann planen wir das Kennenlernen deiner Eltern”.
Solltest Du den Verdacht haben, dass Versprechungen nicht mehr als leere Worte sind, achte auch auf kleine Diskrepanzen von großen Worten und kleinen Taten.
Silent Treatment oder toxisches Schweigen
Auch die komplette verbale oder non-verbale Kommunikationsverweigerung ist emotionaler Missbrauch.
Wir reden hier nicht vom Beleidigtsein nach einem Streit. Auch hier kann es Stunden dauern, bis man sich, und die eigenen Gedanken gesammelt hat, um dann wieder miteinander zu sprechen. Das ist kein Silent Treatment.
Beim toxischen Schweigen geht es um taktische Nichtbeachtung, die sogar Tage, Wochen und Monate andauern kann.
Das Ziel der toxischen Person ist die Verunsicherung des Partners. Auch möchte man ihn dadurch verletzen und sich in eine dominante Position bringen. Denn der Schweigende oder die Schweigende zieht die Kontrolle an sich. Sie entscheidet, wann die Situation aufgelöst wird.
Schweigen wird so zur Waffe. Als Konsequenz werden Selbstzweifel und Minderwertigkeitsgefühle beim Opfer angestoßen.
Diese Verhaltensweise sollte für Dich ein starkes Warnsignal sein.
Gaslighting
Dieses Warnsignal ist eher ein Mix aus verschiedenen Taktiken. Der Täter nutzt Lügen, Leugnen, Einschüchterungstaktiken, um das Opfer so stark zu manipulieren, dass es sich selbst anzuzweifeln beginnt.
Oft werden Behauptungen des Gegenübers angezweifelt. Es wird geleugnet, dass der Partner etwas gesagt habe, obwohl diese Aussage getätigt wurde.
Ganz typische Behauptungen des Gaslighters sind solche, die darauf abzielen, dass man sich vorschnell aufregt, dass man aus einer Mücke einen Elefanten macht.
Auf diese Art und Weise wendet die toxische Person mögliche Konfrontationen ab und stellt den Verstand, die Fähigkeit oder sogar Liebenswürdigkeit des Partners infrage. Gleichzeitig erhöht er die Abhängigkeit.
Diese Methode kann Dich förmlich in den Wahnsinn treiben. Es wird sogar die Ausbildung von psychosomatischen Krankheitsbildern beobachtet. Depressionen, Ängste und posttraumatische Belastungsstörungen gehören zu den Folgen von Gaslighting Opfern.
Eggshelling
Eggshelling beschreibt das Verhalten der Partner von toxischen Personen. Sie laufen förmlich auf Eierschalen, wenn sie sich in der Nähe der toxischen Quelle befinden.
Du beobachtest Dich dabei, dass Du bei Anwesenheit Deines Partners nicht traust zu sprechen oder gewisse Handlungen auszuführen? Dann ist das ein Indiz für ein toxisches Element zwischen euch.
Das veränderte Verhalten kann auf Dauer zu einer Entfremdung zu Dir selbst führen, sodass Du Dich bald selbst nicht mehr spürst. Es fühlt sich an, als ob jeden Moment ein Sturm losbrechen kann.
Mache Dir bewusst, dass das in einer funktionalen Beziehung nicht so sein sollte. Dass Dein Partner Dich durch sein Verhalten emotional ausnutzt, damit Du nach seinen Vorstellungen funktioniert.
Ist Dein Partner ein Narzisst?
Wie Du siehst, gibt es viele Ausprägungen von Narzissmus. Gleichzeitig gibt es wohl weniger voll ausgeprägte narzisstische Persönlichkeitsstörungen als die Aktualität und Präsenz dieses Themas in Bloggosphäre und Medien suggeriert.
Narzissten weisen sehr starke, toxische Verhaltensweisen auf. Sie manipulieren und zielen auf den Selbstwert des Anderen, um die eigenen Wünsche zu befriedigen. Einer dieser Wünsche ist Anerkennung und Bewunderung. Gleichzeitig sind sie schnell gekränkt bei Widerhandlung.
Toxische Personen sind nicht zwangsläufig Narzissten. Jedoch ist eine Trennung bei systematischen, emotionalem Missbrauch angeraten. Denn durch Methoden wie Gaslighting, dem toxischen Scheigen und Future Faking wirst Du immer mehr in eine Abhängigkeit getrieben, die sogar Deine mentale Gesundheit riskiert.
Gerne stehen ich Ihnen beratend zur Seite.
Herzlich,
Yvonne C. Beuckens
Klärungsbegleiterin, Paartherapeutin, Liebeskummerexpertin, Mediatorin für Trennungen.